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Die wahre kohlenhydratarme, ketogene Diät

Lesedauer: 7 Minuten
Aktualisiert am 04/01/2016
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Inhaltsübersicht

Wer Bodybuilding betreibt oder sich in den späten 1990er-Jahren abmühte, Pfunde abzuspecken, hat bestimmt schon mal von einer ketogenen Diät gehört und sie womöglich ausprobiert. Für die meisten wäre es eine Atkins-Diät gewesen. Anders als man glaubt, war diese nicht usschließlich ketogen – auch wenn sie tatsächlich eine Anfangsphase mit einer sehr kohlenhydratarmen Ernährung beinhaltete, um die Ketogenese auszulösen. Mit dem von Atkins erreichten Marketingerfolg wurden andere Diätpläne eingeführt, die ähnliche Ziele verfolgten. Einige waren noch extremer und warben für eine ketogene Lebensweise im Gegensatz zu periodischen oder kurzfristigen Diätphasen.

Aufgrund des Stigmas gegen Nahrungsfette scheuten viele Menschen fett- und kalorienreiches Essen zugunsten mageren Fleischs, Eiweiß und Proteinpulvern. Bodybuilder und andere Sportler ließen sich infolge ihrer Vorliebe für die Masse erhaltenden Kräfte des Proteins leicht überreden. Gesundheitsexperten verschärften das Problem, indem sie gegen die erkannten Risiken wetterten, die mit Nahrungsmitteln mit hohem Fettgehalt verbunden waren. Aufgrund dieses Drucks änderten viele das makronährstoffliche Profil der ketogenen Diät weitab von ihrer ursprünglichen Idee und schmälerten die fettabbauende Leistung dieser Diäten.

Wichtig ist, sich über die Entstehung ketogener Diäten klarzuwerden und wie eine Abweichung von den vorgegebenen Richtlinien das metabolische Ziel beeinflussen könnte: nämlich eine Ketogenese herbeizuführen und den Fettabbau durch eine Steigerung der Rate und des Verhältnisses der Fettsäureoxidation (Fettverbrennung in Form von Kalorien, im Gegensatz zur Speicherung als Körperfett) zu beschleunigen.

Ketose galt lange Zeit als ein pathologischer Zustand, der nur bei Menschen auftrat, die an Hunger oder an unkontrolliertem Diabetes mellitus Typ 1 litten. Ketose – das erhöhte Vorkommen von Ketonkörpern im Blut und Urin – bedeutet, dass zu wenig Glukose (Blutzucker) vorhanden ist, um den Stoffwechselbedarf zu decken. Während des Hungerns sind die Glukosespeicher im Körpergewebe aufgezehrt. Bei unkontrolliertem Diabetes Typ 1 verhindert fehlendes Insulin, dass Zucker in die Zellen eindringen kann, was zu einem Zustand namens hyperosmotische Ketoazidose führt. Das bewirkt, dass die Zellen Fettsäuren als primäre Brennstoffquelle für die Produktion von ATP (Energie) nutzen. Fettsäuren können aus gespeichertem Fett in den Muskel- oder auch Fettzellen sowie aus zirkulierenden Fettsäuren im Blut nach einer Mahlzeit abgeleitet werden.

Ketone sind ein Nebenprodukt der Fettsäureoxidation. Außerdem können zelluläre Proteine abgebaut werden; und die freigesetzten Aminosäuren sind einer Vielzahl von Enzymen ausgesetzt, um entweder Stoffwechselprodukte zu erzeugen, die in Glukose (Zucker) umgewandelt werden, oder Ketonkörper. Diese bezeichnet man als glukogene oder ketogene Aminosäuren. Einige Aminosäuren können in beide Richtungen abgezweigt werden – je nach Bedarf der Zelle und Gewebeart.

Die Fettsäureoxidation wie auch Keton-Produktion finden ununterbrochen statt. Der Körper gewinnt die nötige zelluläre Energie, um die Körpertemperatur und Grundfunktionen aufrechtzuerhalten, indem er Zucker, Fettsäuren und (in geringem Maße) Aminosäuren bei Menschen verbrennt, die ausreichend Kalorien aufnehmen und ein ausgewogenes Verhältnis von Makronährstoffen (Kohlenhydrate, Protein, Fett) haben. Das Verhältnis der verbrannten Kalorien ist so gewichtet, dass die meiste Energie aus Fettsäuren im Ruhezustand kommt, wobei der restliche Großteil aus Zucker stammt. Beim Training jedoch wird der erhöhte Energiebedarf hauptsächlich durch Zucker abgedeckt. Das gilt insbesondere für hochintensive sportliche Betätigung (über 60 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme). Der Bedarf für Training mit niedriger und moderater Intensität kann weitgehend durch die Erhöhung der Fettsäure- und Glukoseoxidation gleichermaßen abgedeckt werden.

Wie ketogene Diäten funktionieren

Bei ketogenen Diäten werden die Glykogenspeicher des Körpers in den ersten Tagen entleert, was durch sportliche Aktivität noch beschleunigt wird. Man erreicht das, indem die Kohlenhydratzufuhr auf sehr geringe Mengen reduziert wird – weniger als 20 Gramm täglich. Da der Körper die Veränderungen in der Ernährung spürt und darauf reagiert, passen sich Menge und Aktivität der entsprechenden Enzyme in den Zellen an. Das ist nötig, um die Aufnahme freier Fettsäuren zu erhöhen, und zwar durch 1) metabolisch aktives Gewebe, 2) den Abbau gespeicherten Fetts im aktiven Gewebe, 3) die Zerlegung und Freisetzung gespeicherten Fetts aus den Fettzellen, 4) durch die Steigerung der Trägermoleküle und Co-Enzyme, um Fettsäuren ins Innere der Mitochondrien zu liefern sowie 5) durch die Entsorgung von Abfallprodukten und schädlichen Oxidationsmitteln.

Wie man sieht, bedarf es mehr als ein simples „Umlegen des Schalters“, um sich einer ketogenen Diät anzupassen. Der Vorteil ist, dass man sehr schnell Gewicht abnimmt; und die Insulinsensibilität kann sich erhöhen, da aktives Gewebe ungesunde Fettspeicher entleert. Der Nachteil ist, dass sie stressig für die Zellen ist, zu größeren oxidativen Schäden und einer geringen zirkulierenden Glukosekonzentration führt, was sich in der Übergangsphase auf die Stimmung und kognitiven Funktionen auswirken kann. Es sind tatsächlich die ersten beiden Wochen, die am schwierigsten sind, um bei der vorgeschriebenen Diät zu bleiben. Sobald sich der Stoffwechsel angepasst hat und der soziale Druck überwunden ist, können die meisten an einer ketogenen Diät festhalten…

Der Umstellungsprozess kann sabotiert werden, indem auch nur eine geringe Menge Kohlenhydrate aufgenommen wird. Der wichtigste Faktor ist die Insulinantwort auf die Kohlenhydrate, aber auch die Glukoseverfügbarkeit für die Zellen. Insulin transportiert nicht nur Glukose in die Zellen, sondern es unterdrückt auch den Transport der Fettsäuren in die Mitochondrien zur Kalorienverbrennung, während es die Fettspeicherung und Wassereinlagerung begünstigt. Wenn sich Glukose im Umlauf befindet und man aktiv ist, befördern GLUT4-Transporter Glukose in die Muskelzellen, selbst wenn so gut wie kein Insulin vorhanden ist. Das ist der Grund dafür, warum sportliche Betätigung ein so wichtiger Bestandteil der Behandlung für Diabetes Typ 1 ist.

Ketogene Diäten, bei denen eine Ketose Vorrang vor allem anderen hat, unterscheiden sich wesentlich von den sehr kohlenhydratarmen Ernährungsformen, die angeblich „ketogen“ sind. Das Verhältnis der Makronährstoffe ketogener Diäten ist 4:1 – vier Gramm Fett pro Gramm Protein und Kohlenhydrat. Damit ist ein Gramm (Protein und Kohlenhydrat) und nicht ein Gramm Protein und ein Gramm Kohlenhydrate gemeint, was 4: 1 :1 bedeuten würde! Das Verhältnis wird auch in Gewicht (Gramm zu Gramm) und nicht in Kalorien angegeben. Das ist sehr wichtig, da Fett neun Kalorien pro Gramm hat, während Protein und Kohlenhydrate vier Kalorien pro Gramm haben. Schriebe man das Verhältnis in Kalorien, wäre es 9: 1 – Fett im Verhältnis zu Protein und Kohlenhydraten.

Dieses Verhältnis wäre ein Gräuel in unserer modernen Welt; und es ist schwierig, sich einen Bodybuilder vorzustellen, der täglich die zugewiesenen zehn Gramm Kohlenhydrate sowie ein Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht aufnimmt. Doch das sind die für nötig befundenen Parameter, um eine durchgängige Ketose hervorzurufen.

Ketogene Diäten und Bodybuilder

In dem Streben nach Muskelmasse, das Protein erfordert, nehmen Bodybuilder in der Regel mindestens zwei Gramm pro Kilo Körpergewicht auf. Um das ketogene Verhältnis beizubehalten, müsste eine beträchtliche Menge Fett verzehrt werden, belastet mit den darin enthaltenen Kalorien. Stattdessen bieten vermeintlich ketogene Diäten letztendlich sehr wenig Resonanz. Das liegt an der metabolischen Auswirkung einer großen Proteinaufnahme.

Erstens sind proteinhaltige Mahlzeiten – vor allem ein schnell absorbierbares Protein wie Molke – insulinogen. Mit anderen Worten: auch wenn sie nicht viele oder gar keine Kohlenhydrate enthalten, setzt die Bauchspeicheldrüse immer noch Insulin frei, um die Nährstoffe zum Gewebe zu leiten. Das unterdrückt die Freisetzung gespeicherten Fetts sowie die Verbrennung von Fettsäuren in den Mitochondrien. Sollte kein begleitendes Kohlenhydrat vorhanden sein, wird von der Bauchspeicheldrüse noch ein weiteres Hormon namens Glucagon freigesetzt. Glucagon regt die Gluconeogenese an – die Produktion von Glukose aus bestimmten Aminosäuren. Wird mit der kohlenhydratfreien Diät beabsichtigt, die Körperspeicher für Glukose und Glykogen zu entleeren, ist das kontraproduktiv.

Zweitens: Eine große Zufuhr an Aminosäuren führt zu einer Insulinresistenz in der Leber. Das bedeutet, dass die Leber nicht auf das Insulinsignal reagiert und somit nicht die Gluconeogenese stoppt. Auch wenn die Mahlzeit also genug Energie (Kalorien) enthält, drosselt die Leber nicht die Gluconeogenese. Das ist vergleichbar mit der Insulinresistenz und erhöhtem Blutzucker bei Typ-2-Diabetikern.

Eine proteinreiche Ernährung – insbesondere eine, die viel Leucin enthält – verkompliziert die Wirkung des Fettverlusts in zweierlei Weise noch mehr. Ausgehend von den Ergebnissen einer Studie mit Ratten scheint es, dass eine proteinreiche, kohlenhydratfreie Ernährung die Reaktion des Fettabbaus auf signalisierende Hormone und Substanzen in den Fettzellen reduziert. Das bedeutet, dass der Körper dem Fettverlust bei einer solchen Ernährung widersteht. Und so, wie Aminosäuren – insbesondere Leucin – anabole Wirkung für Muskeln zeigen, gibt es die gleiche Wirkung in den Fettzellen. Leucin unterstützt das Muskelwachsfettabbau tum nicht nur als struktureller Baustein für zelluläre Proteine, sondern auch als signalisierendes Molekül. Leucin aktiviert den anabolen mTOR-Signalweg, den es auch in den Fettzellen gibt. Forscher haben sogar Leucin-arme Ernährungsweisen als Mittel zur Förderung des Fettabbaus untersucht. Für einen Bodybuilder wäre das natürlich inakzeptabel…

Es ist schwierig, zu sagen, ob eine ketogene Diät auf lange Sicht das Richtige für Bodybuilder ist. Der traditionelle Ansatz einer Glykogenentleerung vor einem Wettkampf, gefolgt von einer großen Kohlenhydrataufnahme, bleibt sicherlich weiterhin populär. Sehr kohlenhydratarme Diäten werden nach wie vor von vielen Bodybuildern befolgt, auch wenn sie den Körper manchmal auf lange Sicht negativ beeinflussen zu scheinen. Während sich die Fortschritte eines Bodybuilders von Jahr zu Jahr leicht verfolgen lassen, ist es umso auffälliger, wenn jemand flach und ausgezehrt auf der Bühne erscheint. Andere dagegen treten mit einem gestochen scharfen Körper auf. Es scheint, als sei die Diät nützlich, doch nicht über einen längeren Zeitraum…

Sehr kohlenhydratarme Diäten sind – wie schon gesagt – oft nicht ketogen. Insbesondere bei Bodybuildern, die zusätzlich noch andere Mittel zu sich nehmen, wirken sich die Mechanismen störend auf das Ziel aus, indem sie die Gluconeogenese anregen und somit dem Organismus ermöglichen, den Blutzuckerspiegel beizubehalten und sogar das Gewebeglykogen aus dem übermäßig vollen Aminosäurepool wiederherzustellen. Das Wachstumshormon ist ein solches Mittel.

Für Athleten – vor allem für jene, bei denen das Körpergewicht eine Rolle spielt, ist es möglich, dass eine ketogene Diät einige Vorteile bietet. Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass es etwa zwei Wochen dauert, um sich der ketogenen Diät physiologisch anzupassen. Und während dieser Phase kann die Leistungsfähigkeit durchaus beeinträchtigt sein. Es kann nicht verkehrt sein, eine sehr kohlenhydratarme Diät zu befolgen – sie ist effektiv für den Gewichtsverlust. Gehen Sie aber nicht davon aus, dass eine Diät mit wenigen oder gar keinen Kohlenhydraten auch unbedingt ketogen ist! Eine hohe Proteinzufuhr mithilfe einer Mahlzeit oder im Laufe des Tages kann eine Ketogenese außen vorlassen und Ihrem Körper die Vorteile des Gewichtsverlusts rauben, die sich aus erhöhten Ketonen ergeben. Seien Sie sich bewusst, dass Sie Ihren Zustand beobachten müssen! Urin-Teststäbchen können schnell zeigen, ob Sie mit Ihrer Diät eine Ketose erreicht und beibehalten haben oder eben nicht.

Die wahre kohlenhydratarme, ketogene Diät

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Aktualisiert am 04/01/2016
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